In jeder Krise gibt es auch Chancen. Die Schreckensnachrichten der letzten Wochen aus Norditalien, Spanien und New York haben, vollkommen verständlich, für viele Menschen das Erkennen von Chancen in der Corona-Krise verhindert. Besser ist es, schon während der Krise nach Chancen zu suchen und diese zu ergreifen. Gefallen haben mir in diesem Zusammengang die Aussagen unseres Bundesrates Ueli Maurer. Wenn es in der Presse richtig wiedergegeben wurde, hat er am Ende der ausserordentlichen Session des Nationalrats zur Corona-Krise klar zum Ausdruck gebracht, dass er genug von der Krise hat und unser Land aus dem Beerdigungsmodus rauskommen müsse. Konkret ging er auf den Wunsch vieler Menschen ein, im Sommer Ferien zu machen. Er sagte, man könne Ferien in der Schweiz machen, das wunderbare Land geniessen, fein essen und das hervorragende Bier trinken. Die derzeitige Unmöglichkeit nach Italien, Frankreich oder Spanien reisen zu können ist eine riesige Chance für die Tourismusindustrie in unserem Land. Ob unsere Hotels, Restaurants und Bergbahnen diese Chance ergreifen und bezahlbare und qualitative hochwertige Angebote präsentieren, werden wir sehen. Aber genau diese Sichtweise, die Ueli Maurer sehr gut ausdrückt, brauchen wir: Wo ergeben sich welche Chancen und wie kann ich sie nutzen? Ich will noch eine persönliche Bemerkung loswerden: Das Schweizer und Deutsche Fernsehen hat diese Chance aus meiner Sicht schon mal nicht be- und ergriffen. Ausser endlosen Expertengesprächen, Sondersendungen und sich immer wiederholenden Diskussionen mit immer denselben Virologen und der Wiederholung von vergangenen Fussballspielen oder uralte Serien einzuspielen, wurde nichts am Programm geändert. Das ist wirklich schade.

Was bedeutet die Corona-Krise für die CIOs, die CDOs, die IT-Abteilungen und die Digitalisierungs- sowie Informatikstrategien? Wo liegen die Chancen? Ich sehe grosse Potentiale für CIOs und CDOs sich im Nachgang zu dieser Krise nachhaltig zu profilieren und an Bedeutung zu gewinnen. Mit den Chancen für CIOs und CDOs will ich mich in diesem Blog auseinandersetzen. Wie sieht die Ausgangslage im Mai 2020 aus. Drei Beobachtungen, die ich in den letzten Wochen gemacht habe, stellen den Ausgangspunkt meiner Überlegungen:

  1. Home-Office hat funktioniert und viele Mitarbeitende schätzen es sogar: In den letzten acht Wochen ist, erzwungen durch unsere Regierung, ein Quantensprung in der Digitalisierung durch die Arbeit im Home-Office erfolgt. In manchen Unternehmen mussten Ende März von einem Tag auf den anderen 98% der Belegschaft im Home-Office arbeiten. Sie waren auf funktionierende digitale Prozesse und Infrastrukturen angewiesen. Insgesamt hat der Quantensprung besser als erwartet funktioniert, aber Schwächen in der IT-Ausstattung der Mitarbeitenden, in der Bandbreite, Sicherheit und in der Software wurden gnadenlos aufgezeigt. Erstaunlicherweise hat sich gezeigt, dass viele Mitarbeitende sich schnell mit der neuen Situation zurechtgefunden haben und nicht mehr in den alten Arbeitsmodus zurückwollen. Home-Office wird, davon gehe ich aus, Teil der neuen Normalität. Erste Unternehmen haben auch schon verkündet, dass sie nicht mehr zum alten Zustand zurück wollen.
  2. Voll digitale Prozesse sind eine strategische Notwendigkeit : Viele Unternehmen, vor allem auch KMUs, haben in der Krise auf einmal dramatisch gelernt, das digitale Prozesse eine Überlebensnotwendigkeit sind. Wer keinen funktionierenden E-Shop hat, kann auch nichts über das Internet verkaufen. Wenn es keine «Digital Twins» der Produkte gibt, können die Ingenieure auch nicht von zu Hause aus arbeiten. Es geht aber nicht nur um den digitalen Teil, der Prozess muss End-to-End funktionieren. Digitale Versandhäuser mit tollen Webshops, mussten ihren Kundinnen und Kunden mitten in der Krise E-Mails schreiben, dass sie nicht wissen, wann die Bestellungen ausgeliefert werden kann, weil ihr Logistikprovider überfordert ist. Diese Unternehmen haben Chancen verpasst, weil man keine belastbaren Prozesse hat. Nur so nebenbei: Von Amazon habe ich keine solche Meldung erhalten.
  3. Qualität und Verfügbarkeit der Daten sind die unabdingbare Grundlage: In vielen Unternehmen ist, nachdem die Software für Videokonferenzen funktioniert hat, sehr schnell klar geworden, dass damit nur die Grundlage für Kommunikation aus und mit dem Home-Office erledigt ist. Um Wertschöpfung zu erzielen, braucht es mehr. Daten müssen verfügbar sein und dies in der erforderlichen Qualität. Keine neue Erkenntnis für alle die sich mit IT im Unternehmen beschäftigen. Wenn aber Hunderte und in manchen Unternehmen Tausende auf diese Daten angewiesen sind und es auch keine informelle persönlichen Abstimmungsprozesse von Tür zu Tür gibt, erweisen sich fehlende, inkonsistente und redundante Daten als schwerwiegender Nachteil.

Bereits beim Lesen dieser Beobachtungen spürt man hoffentlich die Chancen die sich für CIOs und die CDOs ergeben könnten. Sie sollten sich nicht nur auf Micromanagement und kurzfristiges Krisenmanagement fokussieren. Die Erneuerung und Verbesserungen der mobilen Arbeitsplatzausstattung der Belegschaft, das Einspielen neuer Software wie MS-Teams oder Zoom, und das Erhöhen der Bandbreite für VPNs ist sicher wichtig, ändert aber mittelfristig nichts an der Positionierung und Bedeutung der CIOs und CDOs.

CIOs und CDOs müssen, wenn sie die Chancen der Corona-Krise nutzen wollen, strategisch vorgehen. Zunächst gilt es die richtigen Fragen zu stellen. Beispiele für strategische Fragen könnten sein: Was bedeutet es für die IT-Infrastruktur und die Softwarelandschaft in meinen Unternehmen, wenn in Zukunft 80 Prozent der Mitarbeitenden mindestens zwei Tage in der Woche im Home-Office sein werden? Wieviel Bürofläche braucht es dann noch? Wie sehen voll digitale Arbeitsprozesse aus, bei denen der Ort, vom dem aus gearbeitet wird, keine Rolle spielt? Wie gewährleistet man Datensicherheit in Zukunft? Welche Erwartungen haben Kundinnen und Kunden in Zukunft an das Unternehmen in Bezug auf Kommunikation, Verkaufs- Logistik- und Beschwerdeprozesse? Welche digitalen Modelle, z.B. Digital Twins, braucht es für ein Engineering- oder Produktionsunternehmen, damit die Mitarbeitenden von zu Hause, und auch global, mit anderen Standorten und Partnern zusammenarbeiten können? Welche Prozesse sind auf keinen Fall digitalisierbar? Wo sind Menschen und ihre physische Präsenz, zwingend notwendig? Wie stellt man sicher, dass auch diese Prozesse einigermassen krisensicher sind?

Diese Aufzählung von Fragen ist weder repräsentativ noch vollständig. Sie beruhen auf Gespräche, die ich in den letzten Wochen führen konnte. Auf jeden Fall müssen sie in den Unternehmen beantwortet werden: Wie geht das? Für mich ist die Antwort klar: Es müssen durch Digitalisierungs- und Informatikstrategien, die an die Erkenntnisse der letzten Monate angepasst sind und immer aus dem Blickwinkel, positiv zu denken und Chancen zu ergreifen, Konsequenzen abgeleitet werden. Es gilt die neue Ausgangslage für das Unternehmen zu analysieren, eine belastbare SWOT-Analyse zu erstellen, strategische Projekte zu definieren, sie zu priorisieren und mit der Umsetzung zu beginnen. Der Ansatz der «Living Strategy», die wir in der ITMC propagieren, scheint mir geeignet zu sein. Er verbindet den Blick für’s Ganze mit der Möglichkeit schnell in den Bereichen, in denen rasches Handeln notwendig ist, strategisch in die Tiefe zu gehen. Der Ansatz der «Living Strategy» erlaubt strategische Flexibilität, denn wir alle wissen nicht, ob die Corona-Krise bald vorüber ist, oder ob es eine zweite oder gar dritte Welle geben wird.

Zusammenfassend sehe ich grosse Chancen für Führungspersonen in der IT-Branche aus dieser Krise gestärkt hervorzugehen. Sie müssen die Chancen jetzt ergreifen. Für CIOs und CDOs gibt es keinen Grund, im Beerdigungsmodus zu bleiben, sondern sie sollten aktiv an der Gestaltung der Zukunft ihrer Unternehmen mitarbeiten.

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